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Ist diese Halle als Rathaus geeignet?

Merkwürdigkeiten in einer saarländischen Provinzstadt

MIRKO WELSCH
Die Lagerhalle der alten Baumwollspinnerei in St. Ingbert

Auf den ersten Blick möchte ein Bericht über die Stadt Sankt Ingbert nicht sehr spannend klingen. Wenn man dann aber die Koalitionsmehrheit im Stadtrat aus CDU, Grüne und Familienpartei betrachtet, wird es schon etwas interessanter. Und auch dass es mit dem amtierenden Oberbürgermeister einen ehemaligen Finanzstaatssekträr gibt, der mit Vorwürfen finanzieller  Ungereimtheiten konfrontiert wird, macht unumgänglich, die Zustände in der saarländischen Mittelstadt näher zu betrachten. Zumal man hier den Eindruck gewinnen könnte, dass es bei  Trash-TV-Formaten wie „Ex on the beach“ oder „Sommerhaus der Stars“ gesitteter zugehen könnte.

So sind neben inzwischen mindestens fünf  Bürgervereinigungen gegen unterschiedliche Pläne aus der Stadtverwaltung auch zwei handfeste Skandale dabei: Den zweifelhaften Verkauf eines Seniorenheims sowie ein viel zu teurer Umzug der Stadtverwaltung in ein sehr stark renovierungsbedürftiges Gebäude mit viel zu wenig Platz und für Bürger weitaus abgelegen. Dazu kommt noch ein möglicher Skandal um das neue Trainingsgelände des Zweitligisten SV Elversberg, welches unter anderem dazu führt, dass für den länger geplanten EDEKA-Markt vehement ein neuer Standort gesucht werden muss.

Juristische Kämpfe und Kommunalaufsicht

Nun aber zum ersten großen Skandal. Dieser hat sich zu einem juristischen Schlagabtausch des neuen Oberbürgermeisters mit seinem parteilosen Vorgänger Hans Wagner entwickelt, der in diesem Maße bundesweit Seltenheitswert haben dürfte. Denn nachdem OB Ulli Meyer (CDU) eine Seniorenheim-Einrichtung viel zu günstig an einen Investor mit CDU-Parteibuch verkauft hatte und dies aufflog, warf er jenem Herrn Wagner vor, die Kosten des Baus jenes Hauses massiv in die Höhe getrieben zu haben. Und forderte Schadensersatz, was gerichtlich abgewiesen
wurde.

Interessant dabei ist auch, dass einerseits der Stadtrat die Prozesskosten bewilligte, obwohl hierfür eigentlich eine eigene und gesonderte Stiftung zuständig wäre, der der OB von St. Ingbert kraft seines Amtes automatisch vorsteht.

Andererseits war hier auch ein FDP-Stadtverordneter und Immobilienmakler beteiligt, der trotz Mitabstimmungen verschiedene Vermietungen im Objekt vermittelte, obwohl laut Beschluss des Stadtrates die Senioren-Apartments verkauft werden sollten. Inzwischen ist hier neben der Staatsanwaltschaft auch die Kommunalaufsicht eingeschaltet, welche die Entscheidungen OB Meyers
deutlich hinterfragen.

Ein Umzug der Stadtverwaltung für mindestens 54 Millionen Euro

Der zweite handfeste Skandal ist der geplante Umzug der Stadtverwaltung vom bisherigen zentral gelegten Rathaus in die Räumlichkeiten einer ehemaligen Baumwollspinnerei, welches sogar vom Bund der Steuerzahler deutlich kritisiert wird. Der Grund für den Umzug der Stadtverwaltung in eine ehemalige Lagerhalle könnte daran liegen, dass man bewilligte Fördergelder von 9,3 Millionen nicht zurück zahlen möchte. Und dafür verschleudert man eben weitere 45 Millionen Euro.

Anfangs gab es Pläne, dort ein Kulturzentrum mit einer Musik- und Tanzschule, einem Kino, einem Jugendtreff und einer Galerie zu schaffen. Daraus wurde nichts. Nun soll das zentral gelegte Rathaus in dieses abseits gelegte Gebäude umziehen. Die Räume im bisherigen Verwaltungsgebäude aus den 1970er-Jahren sollten dann lieber in Büro-, Praxis- und Wohnflächen umgewandelt und entsprechend vermarktet werden.

Besonders fraglich ist, warum sich die weit mehr als 100 Seiten umfassende Stadtratsvorlage zur Rathaussanierung fast ausschließlich mit der Option Baumwollspinnerei – Sanierung und dann Umzug dorthin – befasst. Die Beschreibung einer alternativen Renovierung des alten Rathauses fällt dagegen dürftig aus. Das verwundert besonders, weil Umzugs-Kritiker davon sprechen,
dass die Baumwollspinnerei für eine Nutzung als Rathaus und Verwaltungsgebäude vollkommen ungeeignet sei. Das begründen sie vor allem mit dem Zuschnitt der Räumlichkeiten, sehr hohen Energie- und Betriebskosten sowie der sehr schlechten Parkplatzsituation.

Bei näherer Betrachtung des gesamten Sachverhaltes könnte man den Eindruck gewinnen, dass der St. Ingberter Oberbürgermeister Meyer (CDU) und seine schwarz-grün-orange Koalition im Stadtrat sich den Umzug in die Baumwollspinnerei schönreden, um nicht in die Verlegenheit zu kommen, Zuschüsse zurückzahlen zu müssen. Denn Sachverständige sprechen bei der Sanierung des alten Rathauses von erheblich niedrigeren Renovierungskosten als in der Verwaltungsvorlage zum entsprechenden Beschluss. Auch zur genauen Finanzierung des gesamten Projektes gibt es seitens der Verantwortlichen keine konkrete Antwort.

Der Autor Mirko Welsch, Saarbrücken, Jahrgang 1977 ist freiberuflicher Politikberater für mehrere Kleinparteien und Politiker. Er ist parteilos.

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Klaus Kelle, Chefredakteur