Nazi-Vergleiche und Doppelmoral: Warum sich SPD-Chefin Esken selbst anzeigen müsste
von BORIS REITSCHUSTER
BERLIN – Als Journalist ist man in diesen Tagen ständig im Zwiespalt: Einerseits möchte man dem ganzen Irrsinn, dem Triumph der Doppelmoral und der kognitiven Dissonanz, die wir täglich erleben, möglichst wenig Resonanz bieten. Andererseits wären auch ein Wegsehen und Verschweigen fatal. Allzu lange haben zu viele weggesehen – das ist einer der Gründe, warum rot-grüne Ideologen und Kulturkämpfer es an die Schalthebel der Macht in Politik und Medien geschafft haben.
Beim ständigen Abwägen – verschweigen oder berichten – habe ich mich im vorliegenden Fall für letzteres entschlossen, weil es – wieder einmal – ein ganz besonderes Beispiel dafür ist, wie große Teile unserer selbsternannten Elite sich in einem Elfenbeinturm verschlossen haben. In dem sie sich losgelöst von der Realität auf eine Weise geradezu betrunken haben vor lauter Moral-Selbstgefälligkeit. Sie sind so davon überzeugt, dass sie die „Guten“ sind und ihre Kritiker die „Bösen“, dass sie sich völlig losgelöst fühlen von jeglichen Maßstäben der Logik. Und völlig unbeschwert mit zweierlei Maß messen.
Wie gerade erst der stramm rot-grüne und LGTBQ-bewegte „Bild“-Vize-Chefredakteur Paul Ronzheimer. Der es zum Zeichen fehlenden Anstands erklärte, wenn jemand noch gleiches Recht für alle fordert und darauf hinweist, dass bei Angriffen auf Politiker eine Doppelmoral je nach Parteibuch herrscht. Wo kämen wir da hin, wenn an die „Guten“, zu denen sich Ronzheimer rechnet, die gleichen Maßstäbe angelegt würden wie an ihre Gegner, die „Bösen“.
Sandra Maischberger, einer weiteren „Guten“, stellte das personifizierte Zentralorgan von Rot-Grün dann im Interview die Frage: „Was ist aus Ihrer Sicht der richtige Umgang mit der AfD?“ Die ARD-Gebühren-Millionärin antwortete: „Manchmal habe ich das Gefühl, wie man es macht, macht man es falsch. Also sie in die Sendung zu holen und zu konfrontieren, dann kommt wieder der Opfermythos. Sie nicht in die Sendung zu holen, ist sicherlich auch nicht richtig.“
Der Publizist Markus Krall kommentierte das treffend: „Menschen, die von der Arroganz ihrer moralinsauren Überlegenheit erfüllt sind, unterhalten sich darüber, wie man Andersdenkende am besten ausgrenzt. Ihr beiden merkt überhaupt nichts mehr, oder?“
Nein, sie merken überhaupt nichts mehr.
Die größenwahnsinnige Überzeugung, dass sie die „Guten“ sind und die anderen die „Bösen“ sind, macht sie völlig blind. Und sie verstehen nicht, dass alle großen politischen Verbrecher, die wir kennen, genau dem gleichen Irrtum unterlegen sind: von Adolf Hitler über Stalin und Mao bis hin zu Mussolini und Pol Pot.
Sie alle hielten sich für die „Guten“ und ihre Gegner für die „Bösen“.
Auch wenn es absurd wäre, unsere rot-grünen Kulturkrieger mit den genannten gleichzusetzen – die Wurzeln ihrer Denkweise sind die gleichen.
Echte Demokraten würden nie auf die Idee kommen, Menschen mit anderer Meinung zu stigmatisieren und sich selbst für moralisch höherwertig zu halten.
Auf unsere rot-grünen Bessermenschen trifft diese Hybris aber gerade zu. Sie ist zutiefst totalitär in ihren Wurzeln. Denn nur ein Mensch mit totalitärer Gesinnung kann Andersdenkende für die Inkarnation des Bösen („Nazi“) halten – und sich selbst für per se besser, also auch „höherwertig“. Man müsste hier sogar prüfen, ob wir es da nicht mit einer Wiederkehr des Glaubens an das eigene „Übermenschentum“ zu tun haben – in neuem Gewand bzw. Lack.
Womit sich in gewisser Weise ein Kreis schließen würde zwischen den echten Nationalsozialisten und denen, die sich heute, 73 Jahren nach deren Untergang, für deren mutige Bekämpfer halten. Und die weit davon entfernt sind, zu bemerken, wie sehr viele ihrer Denk- und Verhaltensweisen auf die gleichen Wurzeln zurückgehen wie bei den Nationalsozialisten. Mit denen ich sie – entgegen ihrem eigenen Verhaltensmuster – nie gleichsetzen würde.
Womit wir bei der Nachricht wären, die für mich Anlass für diesen Text war.
Und bei Saskia Esken. Die SPD-Chefin hat gerade die AfD als Nazi-Partei bezeichnet. Und blieb trotz Nachfragen des schockierten Moderators im österreichischen Sender ORF explizit dabei.
Den Gegner „Nazi“ zu nennen – das ist die vernichtendste Beschimpfung, die in Deutschland möglich ist. Das ultimative Totschlag-Argument. Die ultimative Verrohung der Sprache.
Und was tut Esken wenige Tage, nachdem sie die verbale Atombombe gezündet hat? Sie fordert „das Augenmerk auf den politischen Streit mit Worten“. Dort liege einiges im Argen, erklärte sie jetzt im Fernsehsender „Nov“, die Sprache sei „verroht“: „Die Attacken auf der Straße seien Folgen der Gewalt in der Sprache.“
Ja, Frau Esken!
Wenn Sie Ihre Kritiker als Nazis diffamieren, ist Gewalt gegen diese Kritiker auf der Straße eine Folge Ihrer Sprache.
Weiter sagte die Frau, gegen die in Österreich jetzt ermittelt wird nach ihrem Nazi-Vergleich wegen des Verdachts der Volksverhetzung: „Da müssen wir im Netz, aber natürlich auch im täglichen Leben ein Auge darauf haben, dass auch alles strafverfolgt wird, was in der Sprache strafbar ist.“
Esken setzte noch einen drauf. Eine mögliche gemeinsame Initiative der Bundestags-Parteien, sich in der politischen Auseinandersetzung verbal zu mäßigen und abzurüsten, sehe sie skeptisch, so die Parteichefin – weil die AfD „eine antidemokratische Partei“ sei: „Da wird kein Konsens herstellbar sein mit diesen Leuten“, so Esken. Mit allen anderen, auch den SED-Erben der „Linken“, sei das anders: Da könne man deutlich machen, dass man „verbale und tätige Gewalt“ ablehne.
Esken lebt in einem Parallel-Universum.
Und nicht nur sie. Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann brachte es fertig, zeitnah die AfD als „Nazi-Partei“ und einen „Haufen Scheiße“ zu beschimpfen sowie ihre Wähler als „Fliegen“, also Insekten – und dann auf der gleichen Veranstaltung zu sagen: „Wir sehen eine Verrohung der Sprache, dürfen aber nie vergessen: Erst kommt das Wort, dann die Tat.“ (Details siehe hier).
All das ist mit Normen und Regeln von normaler Logik nicht mehr nachvollziehbar.
Es ist nur noch durch eine völlige ideologische Verblendung durch einen größenwahnsinnigen Glauben an die eigene moralische Überheblichkeit erklärbar.
Die Geschichte zeigt, wie gefährlich diese größenwahnsinnige Verblendung ist – und wohin sie in letzter Instanz führen kann. Insbesondere dann, wenn sie einen massenhaften und hysterischen Charakter angenommen hat, wie in der heutigen Bundesrepublik.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf www.reitschuster.de.
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Klaus Kelle, Chefredakteur