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Und wer entscheidet eigentlich, was Qualitätsmedium ist und was nicht?

von FELIX HONEKAMP

Die Idee ist nicht neu und zumindest in Nuancen funktioniert sie auch meistens: Wenn mein Produkt nichts taugt, dann mache ich meine potenziellen Konsumenten auf ihre soziale Verantwortung aufmerksam. So versucht zum Beispiel auch der amerikanische Präsident die Einwohner seines Landes zum Kauf heimischer Produkte anzuregen, die zwar qualitativ denen anderer Herstellerländer unterlegen sind, mit deren Kauf dann aber amerikanische Arbeitsplätze gesichert werden. Mit Trump möchte in der deutschen Medienlandschaft natürlich niemand gerne in einen Topf geworfen werden, aber die gleiche Masche versucht derzeit Julia Jäkel, Chefin der Gruner + Jahr Gruppe.

Der Verlag solch illustrer Qualitätsmedien wie Gala, Brigitte oder prima, auch der Stern wäre hier zu nennen (zugegeben auch Capital und durchaus das eine oder andere ernstzunehmende Magazin) setzt sich für eine Erweiterung der Kompetenzen deutscher Unternehmen durch eine sogenannte „Corporate Media Responsibilty“ ein. Ziel: Die Unternehmen sollen Werbegelder lieber an Qualitätsmedien geben denn in Social-Media-Anbietern wie Facebook stecken, da dort eben auch unseriöse Inhalte – Stichwort „Fake News“ – zu finden seien. Im Handelsblatt sagte Jäkel: „“Wenn wir es übertreiben, dann dürfen wir uns in fünf oder zehn Jahren nicht wundern, wenn unsere gesamte Medienlandschaft eine andere geworden ist. […] Die Krise der demokratischen Öffentlichkeit und das eigene Verhalten gehörten dann direkt zusammen.“

Das, so hoffte Jäkel offenbar, solle sitzen: Deutsche Unternehmen, mit der deutschen Automobilindustrie an erster Stelle nicht eben mit dem besten gesellschaftlichen Ruf ausgestattet, sollen also ihrer Verantwortung gerecht werden und das schöne Werbegeld lieber in Trump-Hitler-Titelbilder des Stern stecken als dass sie auf einer Seite mit Nachrichten von RT (Russia Today) landen könnten. Aber haben Unternehmer eigentlich eine gesellschaftliche Verantwortung und wie könnte die aussehen? Ersteres würden die meisten Manager und Unternehmer wohl bejahen, aber in der zweiten Frage tun sich Unterschiede auf: Arbeitsplatzsicherung und vielleicht –ausbau könnte man nennen, Schonung der genutzten Umweltressourcen wird schon differenzierter gesehen. Aber Arbeitsplatzerhalt bei einem anderen Unternehmen? Wie viel Altruismus soll es denn sein? Man könnte auch die Deutsche Bank auffordern, Tierheime zu unterstützen: Sicher nett, aber nicht im Rahmen ihrer Verantwortung. Wenn sich Frau Jäkel also um den Erhalt der von ihr verantworteten Arbeitsplätze sorgt, schlecht kaschiert durch den Hinweis auf eine durch soziale Medien angeblich gefährdete Demokratie, dann sollte sie erst mal vor der eigenen Türe kehren, das heißt Qualität, Ruf und Preisstruktur der angebotenen Medien besser steuern, bevor sie versucht, andere moralisch zu verpflichten, gefälligst ihre Ladenhüter – in dem Fall Werbeseiten – zu kaufen.

Vom Medienmagazin meedia befragt, bescheiden denn auch die relevanten deutschen DAX-Unternehmen das Ansinnen Jäkels abschlägig. Prägnant zum Beispiel Automobilzulieferer und Reifenhersteller Conti: „Qualitätsmedien benötigen keinen Artenschutz! Wer Zukunft gestaltet, hat eine Perspektive. Wer Vergangenheit verwaltet, nicht. Die Digitalisierung beschleunigt den Prozess zur Steigerung der Effizienz und Wirksamkeit. Nicht alle werden ihn überleben. Weder in der Medienbranche noch in unserer Automobilindustrie.“ Aber auch wenn Frau Jäkel für Kopfschütteln in deutschen Unternehmen sorgt, kann der Vorstoß Langzeitfolgen haben. Längst wird laut über die Möglichkeit einer „GEZ-Abgabe“ für Zeitungen und Qualitätsmedien nachgedacht, die dann wohl auch so etwas wie eine „Demokratieabgabe“ (in Anlehnung an Jörg Schönenborn, Fernsehdirektor des WDR) sein soll. Wer weiß, was dem Gesetzgeber noch einfällt, wenn es darum geht, auch in diesem Markt mitbestimmend tätig zu werden: Gefällige Berichterstattung gegen Steuermillionen? Gestützt durch ein indirekt zensierendes Netzwerkdurchsetzungsgesetz? Nicht abwegiger als die Betteltour von Frau Jäkel. Also Vorsicht: Nur weil dieser Vorstoß ins Leere geht, heißt das nicht, dass das Ansinnen nicht doch an anderer Stelle – und dort viel gefährlicher – auf fruchtbaren Boden fallen könnte.

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Klaus Kelle, Chefredakteur