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Kindergrundsicherung

Was ist eigentlich Kinderarmut?

Wenn das geld zum Leben nicht mehr ausreicht.

von THILO SCHNEIDER

BERLIN – Ein Gespenst geht um in Deutschland. Die Kinderarmut! Gerade die Grünen können gar nicht genug beklagen, dass der Finanzminister, der ja bekanntlich Porsche fährt und die kleinen Kinder lieber frisst als sie zu bezahlen, für dieses Herzensprojekt kein Geld locker machen will. Es ist ähnlich wie beim Tempolimit: Dauernd torpedieren die Liberalen all das, was die Grünen für gut und richtig zur Weltrettung vorhaben. Eigentlich sollten sie die Koalition platzen lassen, dann wird die FDP schon sehen, wo sie bleibt. Mutmaßlich unter der Fünf-Prozent-Hürde. Aber auch die Grünen hätten keine Winselrad betriebenen Dienstwagen mehr. So bleibt es beim unzufriedenen Knurren…

Was aber ist eigentlich Kinderarmut?

Viele Kinder haben nur ein altes I-Phone und lediglich eine Playstation 4? Was bedeutet Kinderarmut?

Nach offiziellen Zahlen ist jedes fünfte Kind in Deutschland von Armut betroffen. Das sind in Summe 2,8 Millionen Kinder. Als arm gelten Kinder aus Hartz IV-Familien oder aus Familien, die über ein Einkommen von weniger als 60 Prozent des sogenannten „mittleren Einkommens“ verfügen. Wobei „verfügen“ hier wahrscheinlich das falsche Wort ist. Dieses „mittlere Einkommen“ liegt derzeit bei 4.100,- Euro brutto im Monat oder einem Jahreseinkommen von 49.200 Euro brutto. Jede Familie, die also weniger als 2.460 Euro brutto im Monat hat, gilt als arm. Nun dürfte das Bruttoeinkommen für die meisten Leser uninteressant sein, da „wichtig ist, was hinten rauskommt“ – also das Netto.

Unsere Beispielfamilie mit zwei(!) berufstätigen Eltern verdient also 2.460,- Euro brutto, der Einfachheit halber verdienen beide genau gleich, also jeder 1.230 Euro im Monat. Brutto. Steuern fallen hier keine an, aber bei den Sozialabgaben greift der Staat zu: Jeder von beiden bringt also ein Netto von 977 Euro mit ins Armenhaus, gesamt 1.954 Euro netto. Bei einem Acht-Stunden-Tag entspräche dies übrigens einem Stundenlohn von 7,77 Euro. Brutto. Das ist natürlich nichts, und dafür kriegst Du kaum jemanden aufgestanden, um auch nur zum Sozialamt zu gehen.

Wahrscheinlicher ist es also, dass es sich bei einem derartigen Personenkreis um Leute handelt, die entweder nur Halbtags- oder Minijobs haben – oder schlicht gar nichts machen, da sie sich auf einem Taschengeld von 446 Euro im Monat plus Übernahme der Wohn- und Stromkosten und sonstiger Benefits eingerichtet haben. Dass nebenbei immer noch „a weng a Gscheftl“ an Steuern und Sozialversicherung vorbeiläuft, ist ein offenes Geheimnis. Aber hier werfe der den erste Stein, der nicht das Eisessen mit der Tochter über die Spesenabrechnung hat laufen lassen…

Hinzu kommt nun ein Kindergeld von 250 Euro monatlich pro nicht wahlberechtigten Erdenbürger, da zu jung.

Eine Alleinverziehende mit einem Kind bekäme also im obigen Rechenbeispiel 1.227 Euro monatlich. Entweder für 7,77 Euro Stundenlohn – oder für 15 Euro Stundenlohn, wenn sie nur halbtags arbeitet. Das sieht schon realistischer aus.

Ist das viel? Nein, ist es nicht. Denn sie muss davon ja auch noch eine Miete bestreiten und die dürfte maximal 400 Euro betragen. In Städten schlicht nicht machbar, wenn unsere arme Mutter (oder, seit Neuestem: „gebärende Person“) mit Kind nicht in der Garage hausen will. Die Kindergrundsicherung will zumindest den Missstand beheben, dass es neben dem Kindergeld noch viele andere Benefits (zB Zuschüsse zur sogenannten „Riester-Rente“) gibt, die den Protagonisten jedoch gar nicht bekannt sind. Oder nicht genutzt werden, weil sie nicht bar ausgezahlt werden. Wie beispielsweise Zuschüsse zu Klassenfahrten oder Sportvereinen.

Der Hauptknackpunkt aber ist, dass die Betroffenen derzeit die diversen Zuschüsse bei verschiedenen Ämtern beantragen müssen. Teilweise Online, teilweise per Formular nebst Nachweis und drei Durchschlägen – ja, es ist umständlich. Zuschüsse sind eine Holschuld des Bürgers.

Die sogenannte „Kindergrundsicherung“ dreht dieses Prinzip um

Sämtliche Maßnahmen und Zuschüsse werden gebündelt und in einem Satz ausbezahlt. Wie hoch dieser ist? Darüber streiten sich die grünen und gelben Geister. Den Grünen schwebt ein Beitrag von 290 Euro monatlich vor, was aber nun auch nicht so üppig ist. Künftig hat jedoch nicht mehr der Bürger eine Holschuld – sondern der Staat eine Bringschuld.

Nun muss man nicht sonderlich viel Phantasie haben, wie dies in der Praxis meistens (nicht immer) aussehen dürfte: Das Geld kommt auf´s Konto und „juhuu“ – ist gleich wieder weg. Für Dinge, die den Eltern Spaß machen. So wird dann der wirklich hehre und gute Ansatz von der Praxis einmal mehr konterkariert werden. Mit allen weiteren Folgen, die das beispielsweise für die hier lebenden Eltern von im Ausland lebenden Kindern haben wird – sofern diese nicht von der Kindergrundsicherung ausgeschlossen werden. 2021 waren das immerhin 459 Millionen Euro.

Für manche zurückgebliebenen Familienmitglieder in ärmeren Ländern entspricht allein der Kindergeldtransfer einem Monatseinkommen. Übrigens: 20,5 Prozent aller Kinder, für die Kindergeld gezahlt wird, haben keinen deutschen Pass. Ob das nun mit der Zahl der armen Kinder in Deutschland kausaliert oder nur korreliert, das entzieht sich meiner Kenntnis. Und ich werde einen Teufel tun, dies zu recherchieren. Ich bin ja nicht verrückt. Ich formuliere es mal so: Gegen eine Kindergrundsicherung ist vom Kindergrund her nichts einzuwenden. Auch nicht für Kinder mit Migrationskindergrund. Ich fände es nur toll, wenn Missbrauch verhindert würde. Aber eigentlich ist es in diesem Staat eh schon egal…

(Weitere Kinderungsgrund-Artikel des Autors unter www.politticker.de)

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.


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Klaus Kelle, Chefredakteur