„Welttag der Migration“: Die meisten Asylsuchenden in Deutschland sind Türken
Immer mehr Kommunen landauf, landab wehren sich vehement gegen neue Sammelunterkünfte für Migranten. Das geht nun seit etlichen Monaten so. Doch ist es nicht allein die steigende Zahl der Asylanten, welche die Bürger vor Ort aufbringt. Vielmehr sind die Menschen über die Tatsache verwundert, dass die Mehrheit der Schutzsuchenden nicht aus einem Land kommt, wo sie durch Krieg bedroht ist. Denn mit über 55.000 Asylanträgen im laufenden Jahr stehen die Türken an der Spitze derjenigen, die sich in Deutschland niederlassen wollen und zunächst in Flüchtlingsunterkünften landen, die aus allen Nähten platzen.
In der Asyldebatte spielt das Thema dennoch weiterhin eine untergeordnete Rolle. Schließlich hat sich die europäische Politik mit dem türkischen Präsidenten Erdogan arrangiert, um mit seiner Hilfe Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan aufzuhalten. Dass sein autokratischer Führungsstil Ursache dafür ist, dass zehntausende Menschen aus der Türkei flüchten, bleibt unbeachtet.
In Deutschland leben drei Millionen Türkeistämmige – Nachfahren der Gastarbeiter
Natürlich stehen sich Deutsche und Türken nicht als Fremde gegenüber – bereits vor mehr als 60 Jahren kamen türkische Gastarbeiter ins Land und halfen in der „Wirtschaftswunderära“ die Industrie und den Handel wieder aufzubauen. Auf deutscher Seite herrschte damals Skepsis. Die Bundesregierung hatte Bedenken, dass Arbeiter mit einem völlig anderen kulturellen und religiösen Hintergrund Schwierigkeiten haben könnten, sich in die Betriebe zu integrieren. Doch das Experiment gelang. Heutzutage leben in der Bundesrepublik etwa drei Millionen Türkeistämmige, die selbst oder deren Vorfahren seit den 1960er-Jahren eingewandert sind. Sie sind mittlerweile eingebürgert und besitzen den deutschen Pass, weil ihnen Deutschland zur Heimat geworden ist.
Anders als heute war die Testung für türkische Gastarbeiter einstmals sehr streng
Der Unterschied zwischen damals und heute: Nach Unterzeichnung des sogenannten „Anwerbeabkommens“ zwischen Deutschland und der Türkei im Jahre 1961 gab es ein strenges Auswahlverfahren. Die potenziellen ausländischen Arbeitskräfte wurden zunächst auf Herz und Nieren auf ihre Eignung hin geprüft. Wer es in die Vorauswahl schaffte, musste bei der Auslandsabteilung des türkischen Arbeitsamtes in Istanbul vorstellig werden – die dortige deutsche Vermittlungsstelle testete, ob die Bewerber beruflich qualifiziert und körperlich gesund waren und ob sie lesen und schreiben konnten. Weitere Voraussetzungen waren: Die Bewerber mussten unverheiratet sein und durften nur aus dem europäischen Teil der Türkei stammen.
Im Jahre 2023 benötigen türkische Staatsbürger für die Einreise nach Deutschland zwar ein Visum, doch die meisten Asylsuchenden umgehen den regulären Weg, indem sie die Balkanroute via Bulgarien, Rumänien und die Donau aufwärts nach Serbien wählen. Um das verheißene (Deutsch-)Land zu erreichen, werden auch Schlepper eingeschaltet.
Die türkische Wirtschaft ist schwach – und die Türken suchen ihr Glück woanders
Immer wieder weisen Experten darauf hin, dass der Zuzug aus der Türkei nach Deutschland in den vergangenen Jahren stark angestiegen sei. Und dieser Anstieg ist nicht nur auf die Asylmigration zurückzuführen, sondern vollzieht sich auch auf andere Weise: wie etwa mittels Familienzusammenführung, Bildungsweg durch Studium oder für Erwerbszwecke. Fakt ist: Wirtschaftlich steht die Türkei nicht besonders gut da. Die Inflation ist mit über 60 Prozent horrend, die Lira hat stark an Wert verloren und wurde über lange Zeit staatlich gestützt. Die Nettoreserven der Zentralbank sind erschöpft, die Auslandsverschuldung ist hoch – die Türkei ist auf Finanzspritzen aus anderen Ländern angewiesen. Ist es da zukunftsorientierten Türken zu verdenken, wenn sie ihr Glück woanders suchen?
Doch sobald deutsche Bürger gegen den Bau von weiteren Asylunterkünften in ihren Ortschaften aufbegehren, verweisen die zuständigen Landräte gerne auf das Erdbeben in der Osttürkei im Februar dieses Jahres. Sie nennen es als Grund, dass derzeit so viele Türken nach Deutschland strömen. Das ist aber eben nur ein Teil der Wahrheit. Wenn am 18. Dezember zum 23. Mal der Internationale Tag der Migranten begangen wird, sollte darüber nachgedacht werden, wer wirklich unter die Definition Migrant fällt und wer nicht.
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Klaus Kelle, Chefredakteur