Zurück aus Israel: „Boykottaufrufe sind schlicht dämlich“
Der Hotelier und Hobbypilot Johannes Lohmeyer war Ende Mai für einige Tage in Israel, diesem ratlosen Land, wie er schrieb. Über seine Erlebnisse und Eindrücke auf dieser Reise berichtete er gestern hier . Doch weil es bei diesem Thema so viele offene Fragen gibt, haben wir heute noch einmal mit ihm gesprochen.
Herr Lohmeyer, Sie kommen gerade zurück von einer Reise nach Israel. Warum sind Sie hingeflogen?
In erster Linie, um einen schönen Urlaub zu machen, was man in Israel nach wie vor kann. Ich liebe die unglaublich abwechslungsreiche Natur, die Geschichte, Tel Aviv mit seinen flippigen Bars und den herrlichen Stränden. Und die Israelis. Natürlich wollte ich mir auch vor Ort ein Bild machen und darüber berichten.
Sie haben ein teilweise traumatisiertes, wütendes und auch ratloses Land erlebt. Dennoch waren abends die Restaurants voll und in den Clubs von Tel Avis wurde gefeiert. Wie passt das zusammen?
Das passt sogar sehr gut zusammen. Das ganze Land erlebt ein kollektives Trauma und ist aufgrund der immer noch offenen Schicksale der 121 Vermissten mittendrin. Dass man sich da ablenkt und versucht, das Leben so gut es geht zu genießen, ist sehr verständlich.
Israel ist eine Militärmacht im Nahen Osten, der Geheimdienst Mossad gilt als einer der besten und effektivsten auf der Welt. Wie kann es sein, dass dieser palästinensische Terrorangriff nicht zu verhindern war?
Es gab Ablenkungsmanöver in der Westbank, so dass dort viele Soldaten eingesetzt wurden. Trotzdem ist es ein Rätsel, wie der Geheimdienst von dieser generalstabsmäßigen Aktion, die der Iran als Störfeuer für die Annäherung mit Saudi Arabien veranstaltet hat, nichts mitbekommen konnte. Ich denke, dass die sehr kritische Israelische Bevölkerung nach dem Krieg eine sehr transparente Auklärung erzwingen wird. Alleine schon, damit sich das niemals wiederholen kann.
In Deutschland, besonders in Berlin ziehen Tausende Demonstranten mit Palästinenserfahnen – den Fahnen der Mörder – durch die Straßen. Wird das wahrgenommen in Israel?
Das wird sehr genau wahrgenommen, ebenso, wie der seit 2015 erfolgte massenhafte Zuzug von Muslimen nach Deutschland. Ich werde darauf seit Jahren mit großem Unverständnis angesprochen. Ein Taxifahrer in Tel Aviv hat mich mal gefragt, ob wir von Hippies regiert werden. Ganz verneinen konnte ich das nicht.
Noch immer befinden sich Geiseln in den Händen der Hamas. Weiß man wie viele noch leben und wie es ihnen geht?
Es werden aktuell noch 121 Menschen vermisst. Wie viele davon Geiseln sind und wieviele ermordet wurden, weiß man nicht. Die Hamas ermordet offenbar regelmäßig Geiseln. Es werden aber auch noch immer sterbliche Überreste von Menschen gefunden, die am 7. Oktober ermordet wurden. So in den vergangenen Tagen die des 35jährigen Dolev Yehud, dessen viertes Kind wenige Tage nach diesem Massaker zur Welt kam.
Vor dem Terrorfangriff gab es viele israelische Unternehmen, die palästinensische Mitarbeiter beschäftigten. Ist ein Miteinander in Zukunft überhaupt noch vorstellbar?
Es haben alleine aus Gaza 15.000 Palästinenser in Israel gearbeitet. Viele davon in den überfallenen Kibbutzim. Als Dank für das Vertrauen haben sie die Hamas mit detaillierten Informationen versorgt, ohne die diese Angriffe kaum möglich waren. Dass die Israelis zu diesen „Nachbarn“ kein Vertrauen mehr haben, ist mehr als verständlich. Auch in der Westbank werden die meisten gut bezahlten Jobs durch israelische Unternehmen geschaffen, z. B. von Sodastream. Vor diesem Hintergrund ist die Forderung der Boykottbewegung, diese Produkte nicht zu kaufen, schlichtweg dämlich und vernichtet palästinensische Existenzen.
Wenn Sie ihre Erfahrungen in Israel mit der öffentlichen Debatte in Deutschland gerade vergleichen – müsste die Politik, müsste die Regierung mehr tun, um Israel zu unterstützen?
Von der einen oder anderen Belehrung und dem inhaltslosen Gequatsche von der Staatsräson abgesehen, verhält sich die Bundesregierung Israel gegenüber eigentlich sehr fair.
In der SPD werden erste Stimmen laut, „Palästina“ anzuerkennen, wie es gerade hektisch viele andere Staaten machen. Ich frage mich da schon, welches Palästina man da anerkennen will. Den Teil, der von einer Mörderbande kontrolliert wird oder den, den ein Holocaust-Leugner anführt? Fakt ist, die Araber in Gaza und der Westbank, die sich seit 1968 Palästinenser nennen, brauchen eine Perspektive. Die können sie aber nicht mit der Fatah und der Hamas und gegen Israel haben, sondern nur mit Israel. Da sollte sich die Bundesregierung und die Staatengemeinschaft einbringen.
Das Gespräch führte Klaus Kelle.
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Klaus Kelle, Chefredakteur