Wen können Christen wählen, Herr Zilliken? „Christen sollten sich an die Zehn Gebote halten und einen Teufel tun, dem Wokeismus zu huldigen“
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Herr Zilliken, Sie haben ein Buch geschrieben über das „Christsein in der Politik“. Hand aufs Herz: Können sich christliche Lebensweise und politischer Kampf um die Macht überhaupt in Einklang bringen lassen?
Ja, wenn man den Begriff Kampf streicht und ihn ersetzt durch Auseinandersetzung, Diskurs und Austausch von Standpunkten. Ich möchte den Begriff Macht ersetzen durch „Übernahme von Verantwortung für eine Gemeinschaft“ – in diesem Falle für ein Volk. Christen haben in der Vergangenheit immer schon nicht nur für sich selbst gelebt, sondern auch ihre Botschaft „unter die Leute gebracht“. Es ist dem Christentum immanent, seine Ziele von Nächstenliebe und Barmherzigkeit in die Welt zu tragen.
Leider gab es dabei auch Fehltritte, die Menschen erniedrigten und/oder durch Missionierung in soziale und psychische Konflikte trieben – zum Teil sogar töteten. Daraus haben wir als Christen aber gelernt. Gelernt auch im Kontext moderner Forschung in den Gesellschaftswissenschaften, die uns das Geflecht von sozialem Miteinander der Menschen aufdröselten und eine andere Sicht des religiösen Zusammenlebens gezeigt haben. Darüber hinaus ist das Christentum Grundlage unserer westlichen Kultur und somit prägend über das rein Religiöse hinaus. Man denke nur an die Zehn Gebote, die Einlass fanden und finden in unsere moderne Gesetzgebung. Du sollst nicht töten, ist nicht nur ein christlich-religiöser Wert, sondern auch ein Gebot in der Rechtsanwendung.
Nächstenliebe und Barmherzigkeit, christliche Kerntugenden, haben 2015 und 2016 die Aufnahme von fast zwei Millionen Flüchtlingen, viele einfach Wirtschaftsmigranten, in Deutschland begleitet. Christliche Gemeinden haben praktisch geholfen, Hunderttausende junge Männer aus dem islamischen Kulturraum aufzunehmen, von denen ein beträchtlicher Teil – wie wir heute wissen – nicht im christlichen Abendland ihre Zukunft gestalten wollen, sondern sich ein Kalifat Deutschland wünschen. War das eine gute Idee, solche Menschen in Deutschland aufzunehmen?
Eindeutig: Nein! Die Barmherzigkeit ist zwar grundsätzlich positiv besetzt, jedoch wird sie arg strapaziert. Das Bibelwort „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“ besagt ja auch, daß man sich selbst lieben sollte und muss. Demzufolge kann ich nur barmherzig sein, wenn ich fest auf einem christlichen Fundament stehe. Die Migration von kulturfremden Wirtschaftsflüchtlingen wird zu ökonomischen und sozialen Spannungen führen.
Dies sehenden Auges zu dulden oder gar noch zu forcieren ist nicht christlich, sondern selbstmörderisch.
Karl Lagerfeld hat dazu eine treffliche Anmerkung gemacht: „Man kann nicht Millionen von Juden umbringen und dann ihre schlimmsten Feinde aufnehmen.“ Die genannten Spannungen und sozialen Verwerfungen werden alles andere als human und/oder christlich sein. Menschen, die zu uns kommen und uns ihre Religion oder Kultur aufdrängen oder sogar aufzwingen wollen, sind und können nicht willkommen sein. Aus der Vergangenheit kennen wir den Begriff „Gastarbeiter“. Diese Menschen sind seinerzeit zum Arbeiten gekommen und habe sich zum allergrößten Teil integriert und sind nützliche Mitglieder unseres Landes geworden – von staatlicher Hilfe jedenfalls haben sie nicht gelebt. Dies mag ich bezweifeln bei denjenigen, die ausschließlich zu uns kommen, um uns entweder auszubeuten oder zu erobern. Einige Länder machen es vor, wie man mit Migration umgehen sollte: Nach strengen Regeln wie in Dänemark, Norwegen, Australien, Kanada und anderen Staaten.
In wenigen Tagen wählen die Deutschen einen neuen Bundestag und damit eine neue Bundesregierung. Sehen Sie unter den Kanzlerkandidaten der großen Parteien irgendjemanden, von dem oder der sie hoffen, christliche Werte in die Alltagspolitik einbringen zu wollen.
Im Hinblick auf das eben genannte zum Thema Migration ist die AfD der absolute Favorit. Es gibt auch andere Parteien wie die CDU oder die Freie Wähler, die in ihren Programmen die Migration mittlerweile kritisch sehen. Sie haben dies in den letzten Jahren in der politischen Praxis jedoch nicht einfließen lassen. Die AfD jedoch hat schon in ihrem ersten Programm im Jahr 2013 deutlich gemacht, daß Migration der Regeln bedarf.
Die Realität seitdem zeigt, daß keine andere Partei auch nur ernsthaft sich dieses Problems angenommen hat. Zudem sollte der Wähler sich auf sein Bauchgefühl bei der Auswahl des Kanzlers/der Kanzlerin verlassen. „Wie du kommst gegangen, so wirst du auch empfangen“ – ein wahres Wort. Wie ein Kandidat auftritt, wie empathisch und wahrhaftig er wirkt, ist nicht nur an deren Worten zu messen, sondern auch an der Ausstrahlung und der unbelasteten Vergangenheit. Ein Tipp sei erlaubt: Die Biographien der Kandidaten sorgfältig googlen und zugleich darauf achten, daß sie Lebenserfahrung haben. Junge Leute ohne Berufsausbildung und Berufstätigkeit gehören nicht in die Politik – vor allem nicht an gehobenen Positionen wie dem Bundestag. Dabei ist es keinesfalls notwendig Abitur oder eine Studienausbildung zu haben. Nein, Bodenständigkeit und Volksnähe sind unabdingbar – und selbst mal gearbeitet haben.
Jahrzehntelang war es in Deutschland üblich, dass rund 70 Prozent der Menschen, die sich als Christen verstehen, CDU und CSU gewählt haben. Aber die alten Milieus schmelzen ebenso wie bei den Sozialisten das klassische Arbeitermilieu. Können die Christen heute in Deutschland noch wahlentscheidend sein?
Ich befürchte fast nein. Als 1954er und Katholik habe ich mehrere Jahrzehnte die Entwicklung von Kirche mitgemacht, mitgestaltet und miterlebt. Kirche hat viel versäumt. Sie war – und das gilt auch für evangelische Christen – zu wenig substanziell. Sie hat ihre Wurzeln zu oft verleugnet oder bei manchen Generationen zu sehr eingefordert. Das macht weder Freund noch Feind, sondern „Christein, ist mir egal“.
In den vergangenen Jahren, auch schon vor der Grenzöffnung 2015, biedern sich Kirche und aktive Mitglieder der Kirchen – hier im Besonderen die Reformierten – dem Zeitgeist an. Wie schon oben erwähnt: Woke sein ist in und zeigt sich in der Sprache und im Handeln. Aktive Katholiken gendern, umarmen jeden bedenkenlos, der eine andere Hautfarbe hat, anstatt ihn genauso kritisch und auch wohlwollend zu betrachten – wie die Mehrheitsgesellschaft.
In Erinnerung geblieben ist mir die unsägliche Anbiederung von Kardinal Woelki in Köln, der ein originales Flüchtlingsboot vor den Dom stellte. Für mich ein unmögliches Zeichen, da die Themen Schleusertum und Wirtschaftsflucht überhaupt nicht vorkamen. Christen können nur dann noch Wahlen entscheiden, wenn sie einerseits den Zehn Geboten nacheifern und gleichzeitig niemals dem Zeitgeist hinterherlaufen. Oder anders ausgedrückt: Die Politik der letzten zehn Jahre ist für Christen nicht wahrhaftig und dient nicht der Verbreitung des Christentums, sondern bewirkt das genaue Gegenteil.
In seiner letzten Sitzungswoche hat der Bundestag noch einen Vorstoß von Linken und Grünen verhindert, die vorgeburtliche Kindstötung – Abtreibung – völlig freizugeben. Zumindest in dieser Frage steht die Union und – trotz Brandmauer – auch die AfD noch. Bei Homo-Ehe, Sterbehilfe, Transsexuellen scheinen alle Dämme zu brechen, ohne dass die großen Volkskirchen das noch verhindern können…
Da stimme ich Ihnen zu. Wie schon oben erwähnt, Tötung, Eingriff in die Schöpfung und Tradition sind fundamentale Christenwerte. Die von Ihnen genannten „gebrochenen Dämme“ sind unchristlich, unethisch und zum Teil moralisch verwerflich. Christen sollten sich an die Zehn Gebote halten und einen Teufel tun, dem Wokeismus zu huldigen.
Hand aufs Herz: Was können Christen am kommenden Sonntag mit gutem Gewissen wählen?
AfD und evtl. Werte-Union (Reihenfolge nach dem Alphabet). Die AfD hat eine komplexe Beziehung zum Christentum. Einerseits bekennt sich die Partei in ihrem Programm dazu, dass das Christentum eng mit der deutschen Kultur verbunden sei (Quelle: https://www.sonntagsblatt.de/artikel/glaube/was-die-afd-ihrem-wahlprogramm-zu-religion-glaube-und-kirche-sagt?form=MG0AV3), andererseits wird die AfD von den Kirchen stark kritisiert und als für Christen nicht wählbar bezeichnet. Die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland haben sich ausdrücklich von der AfD distanziert und betont, dass völkischer Nationalismus mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild unvereinbar sei (Quellen u.a. https://www.katholisch.de/artikel/59211-afd-tiefer-graben-zu-christlichen-grundueberzeugungen?form=MG0AV3) Aber auch diese Einschätzung der Kirchenoffiziellen bröckeln langsam, zudem sie größteneils überholt oder widerlegt sind.
Die Werteunion bekennt sich ausdrücklich zu christlichen Werten. Sie sieht sich als Vertreterin des konservativen Markenkerns und der christlichen Werte der CDU und CSU. Die Partei betont, dass sie sich auf diese Werte beruft und sie in ihrer Politik verankern möchte. (Quelle: https://www.domradio.de/artikel/wie-christlich-ist-sie-diskussion-um-die-werteunion?form=MG0AV3). Darüber hinaus ist es letztendlich schwierig, einen Favoriten zu nennen. Das Bauchgefühl und die Kandidatenauswahl sollten die größte Rolle spielen. Letztendlich ist christlich wählen eine sehr subjektive Angelegenheit. Aber auch: „An ihren Taten sollt ihr sie bemessen“. Zum Abschluß ein klerikaler Witz aus der Sammlung von Heinz Bemmann: „Ein Bordlautsprecher eines Flugzeugs meldet: „Werte Passagiere, ich muss ihnen leider mitteilen, dass wir schweren Motorschaden haben. Ist ein Pfarrer an Bord, bitte ich ihn, noch einmal seines Amtes zu walten.“ Ein Monsignore erhebt sich und geht, um den Motor zu reparieren“
Helmut Zilliken (71) ist Pensionär, war als Diplom-Sozialpädagoge und Lehrer für die Sek 1 und Sonderpädagogik tätig. Der konservative Autor hat das Lebensmotto: Früher war nicht alles besser, aber vieles gut“.
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