Was das heutige Deutschland vom früheren Preußen-Staat lernen kann
Haben der Westen allgemein und Deutschland im Besonderen den Stürmen unserer Zeit noch etwas entgegenzusetzen? Diese schon seit Jahren im Raum stehende Frage stellt sich seit den Terroranschlägen gegen Israel am 7. Oktober und den anschließenden Demonstrationen für ein „freies Palästina“ (was nur der Code für die Vernichtung Israels ist) in etlichen europäischen Metropolen drängender denn je.
Die Antwort darauf erfolgte bislang mit den bewährten Mitteln des Rechtsstaats: Verbote der Terrororganisation Hamas und des Netzwerks Samidoun, Razzien in Moscheen und Islamvereinen sowie Beschlagnahmungen von Konten und Propagandamaterial. Alles gut, alles richtig.
Mit hohlen Phrasen gegen eine Bedrohung?
Doch was haben wir, die Gesellschaft, in die zu ziehen sich die Zuwanderer aus fernen Kulturkreisen freiwillig entschieden haben, inhaltlich entgegenzusetzen, wenn wieder einmal der Schlachtruf „Allahu akbar!“ (Gott ist groß) durch unsere Straßen hallt? Wenn wir ehrlich sind, ist außer ein paar hohlen Phrasen – zum Beispiel, dass für Judenhass in Deutschland kein Platz sei, was allein schon durch die fortdauernde Präsenz der Islamisten auf unseren Straßen widerlegt wird – kaum etwas zu hören. Ein positiver Gegenentwurf, ein Selbst-Bewusstsein unserer Gesellschaft, ist nicht zu vernehmen.
Wo ist zum Beispiel die donnernde Predigt eines Bischofs, der muslimischen Hasspredigern entgegenhält, dass Europa und Deutschland unter dem Kreuz der Christenheit Jahrhunderte lang an der Spitze der kulturellen, technischen und zivilisatorischen Entwicklung der Welt standen? Oder wo ist der engagierte Appell aus dem akademischen Raum, der daran erinnert, dass die abendländische Wissenschaftsfreiheit die wesentlichen geistigen Energien dazu freisetzte?
Für die Antwortlosigkeit der westlichen Gesellschaft gibt es viele Gründe, allen voran die allgemeine Abkehr von geistigen und geistlichen Traditionen und die Hinwendung zu einer stark durch materielle Aspekte geprägten Lebenseinstellung in den letzten Jahrzehnten.
Abkehr von den Traditionssträngen unseres Landes
In Deutschland kommt zu dieser intellektuellen Entkernung noch ein Gründungsimpuls der Bundesrepublik hinzu. Der westdeutsche Nachkriegsstaat, bis heute prägend für das vereinte Deutschland, entstand 1949 nicht nur in Abkehr von der braunen NS-Diktatur und nicht nur in Gegnerschaft zur roten Diktatur der DDR, sondern auch in einer Abgrenzung von grundlegenden Traditionssträngen unseres Landes, allen voran vom Kaiserreich und von dem das Reich wesentlich tragenden Staat Preußen. Für diese Haltung steht insbesondere der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer. Dass das bald einsetzende Wirtschaftswunder den Bundesdeutschen einen zuvor nie gekannten Wohlstand bescherte, verstärkte die Tendenz, die Staatsgründung von 1949 als etwas völlig Neues zu deuten, das mit dem „Davor“ kaum etwas zu tun habe.
Allerdings ging damit nicht nur das Bewusstsein dafür verloren, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht nur staatlich in direkter Nachfolge des 1871 unter der Ägide des preußischen Ministerpräsidenten Otto v. Bismarck gegründeten Kaiserreiches stand, sondern auch dafür, dass wesentliche Voraussetzungen, von denen nach den Worten des Staats- und Verwaltungsrechtlers Ernst-Wolfgang Böckenförde „der freiheitliche, säkularisierte Staat“ zwar lebt, die er jedoch „selbst nicht garantieren kann“, lange vor Gründung der Bundesrepublik von dem verpönten Preußen geschaffen worden waren.
Lehrreicher Blick in die Geschichte der Migration
So hat Preußen 1717 als erster Staat überhaupt eine Allgemeine Schulpflicht eingeführt und mit seinem Allgemeinen Landrecht von 1794 – also 20 Jahre vor Napoleons „Code Civil“ –eine Rechtsordnung verabschiedet, die wesentliche Grundlagen für den modernen Rechtsstaat schuf. Nicht zuletzt hat das von Preußen dominierte Kaiserreich ab 1883 mit der Krankenversicherung, der Unfallversicherung sowie der Invaliditäts- und Altersversicherung die Fundamente für den modernen Sozialstaat gelegt.
Selbst für die Migrationsdebatten von heute ist ein Blick in die Geschichte des alten Preußen lehrreich. 1664 sicherte das Toleranzedikt des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm die freie Religionsausübung zu. 1671 rief derselbe Kurfürst aus Wien vertriebene Juden und 1685 französische Hugenotten zur Ansiedelung in Preußen auf. 1732 ließ sein Enkel König Friedrich Wilhelm I., der „Soldatenkönig“, sogar für seine inzwischen im Land lebenden muslimischen Untertanen im Potsdamer Langen Stall einen Saal zu einer Moschee umbauen. Und 1823 nahm Preußen aus Russland vertriebene orthodoxe Altgläubige auf und siedelte diese in Masuren an.
Gleiche Pflichten für die Zuwanderer wie für Alteingesessene
Allerdings rief Preußen – und das ist ein wesentlicher Unterschied zu heute – die Zuwanderer nicht aus Gefühlsduselei ins Land, sondern aus Nützlichkeitserwägungen. Kriege und Epidemien wie die Große Pest von 1709 bis 1711 hatten zum Teil ganze Landschaften entvölkert. Doch obwohl der preußische Staat – im modernen Sprachgebrauch – auf Zuwanderung angewiesen war, verteilte er keine absurden Geschenke wie der heutige deutsche Sozialstaat, der ohne die Erwartung einer Gegenleistung Milliarden an Zuwanderer verteilt.
Vielmehr hatten die neuen Landeskinder in Preußen die gleichen Pflichten zu erfüllen wie die alteingesessenen, allen voran das Zahlen der Steuern und Abgaben sowie später auch das Ableisten des Wehrdienstes. Vor allem mussten sich die Zuwanderer an Recht und Gesetz halten. Die Verächtlichmachung jenes Staates, der ihnen erst Asyl und dann eine dauerhafte neue Heimat bot, wie wir sie in der Bundesrepublik von heute tausendfach erleben, wäre in Preußen undenkbar gewesen.
Wie soll Integration ohne eigenes Selbst-Verständnis gelingen
Im Ergebnis waren in Preußen die Nachfahren der Zuwanderer schon ein bis zwei Generationen später selbst bekennende Preußen, während hingegen die Nachfahren der Zuwanderer von heute oftmals auch zwei Generationen später nichts mit diesem Deutschland anfangen können.
Warum auch? Wie will ein Staat andere Menschen integrieren, wenn er nicht einmal selbst weiß, was er ist – und auf welchen Grundlagen er errichtet wurde?
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Klaus Kelle, Chefredakteur