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Warum lebt und redet man so

„Wer mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“ – die katholischen Bischöfe Deutschlands im Herbst

ARCHIV – Eröffnungsgottesdienst bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

von MARTIN D. WIND

FULDA – Nun tagen sie wieder. Sie kommen zusammen, reden – salbungsvoll – und gehen dann wieder auseinander. Es ist wieder Herbst und die Bischöfe der katholischen Kirche in Deutschland treffen sich zu ihrer jährlichen Traditionsveranstaltung. Der Vorsitzende, Herr Bätzing, wird alles, was ihm in den Kram passt in höchsten Tönen loben und was ihm nicht behagt, als „großen Schaden für die Kirche“ brandmarken. Einschlägig vorbelastete Medien werden sich auf die altbekannten Themen „sexueller Missbrauch“, Zölibat, Frauenweihe und Macht konzentrieren.

Man wird erfahren, dass die „Reformverweigerer“ die strahlende Zukunft der deutschen Kirche verhindern – und das alles nur, weil sie darauf beharren, die Schöpfungsordnung im Leben umgesetzt sehen zu wollen, diese Ewiggestrigen. Und so werden die Partikularinteressen der Professionellen aus den Ordinariaten und den Gremien sowie die Strukturpostenbesatzer aus den Verbänden der Kirche wieder die Debatte und die veröffentlichte Darstellung dominieren. Die Anpassung an den Zeitgeist und das Unterwerfen unter modische Erscheinungen werden als der Weisheit letzter Schluss dargestellt werden. Sie ignorieren dabei: „Wer mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“

Darüber wird übersehen, dass es auch noch Gläubige in der Kirche gibt, die die „Reformen“, die seit mehr als 50 Jahren immer mal wieder gegen die Lehre Christi und der darauf bauenden Lehre der Kirche gesetzt werden, mit dem was Christentum ausmacht, mit der Gottesebenbildlichkeit des Geschöpfes, mit seinem Wesen als Mann und Frau, mit dem Evangelium nicht vereinbar sind. Aber wer versteht das noch in einer religiös entalphabetisierten Gesellschaft, in der selbst manche Messdiener nicht wissen, an welcher „Programmpunkt“ in der Heiligen Messe sie sich gerade befinden.

An Gutem unterlassen und Bösem getan

Dabei hätten Bischöfe und Priester alle Hände voll zu tun. Sie sollten all das angehen, was in den vergangenen 70 Jahren vor allem im deutschen Sprachraum an Gutem unterlassen und Bösem getan wurde. Das finge damit an, dass Bischöfe erkennbar das leben sollten, was das Christentum ihnen aufgibt. Das beginnt bei der Nächstenliebe. Wie manche „Brüder im Amte“ mit ihren „Mitbrüdern“ umgehen, wie sie öffentlich kritisieren, ihr Verhalten großmäulig als „Schaden für die Kirche“ brandmarken, kann Übelkeit aufkommen lassen. Noch schlimmer ist es, wenn das exakt die „Brüder“ sind, die nachweislich Dreck am Stecken haben, aber keinerlei Veranlassung spüren, ihren eigenen Maßstäben gerecht zu werden, die sie an Unbescholtene anlegen. Nicht nur Herr Bode aus Osnabrück sollte darüber intensiver nachdenken.

Was wurde im Vorfeld des „Synodalen Weges“ versprochen, in hehren Worten und bunten Farben an den Horizont gezeichnet: Dialog, Missbrauchsaufarbeitung, Augenhöhe, Toleranz, angstfrei, Austausch, ohne Machtgefälle, demokratisch und wie diese Begriffe lauten, bei deren Nennung sich dem erfahrenen Beobachter die Nackenhaare aufstellen. Und es kam, wie befürchtet: Jene, die im Vorfeld tolerant und zugewandt taten, haben bei einer Abstimmungsniederlage ein Schauspiel aufgeführt, das man aus der Trotzecke eines Kindergartens erwarten würde. Und was tat Herr Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, nachdem eine Beschlussvorlage nicht angenommen wurde? Er lachte seinen „Mitbrüdern“ ins Gesicht und kündigte öffentlich an, er werde das demokratische Abstimmungsergebnis ignorieren und den umstrittenen Grundtext in „seinem Bistum“ dennoch einführen: „Seht, wie sie einander lieben!“

Warum wollen solche Amtsinhaber nicht dem Kernauftrag der Kirche gerecht werden? Warum verstehen solche Amtsinhaber nicht, dass sie die Menschen „in den Himmel führen“ sollen? Das geht nicht durch politisches Gehabe, parteitaktische Geplänkel um weltliche Themen oder mit hohlen Versprechen, deren Sinnlosigkeit der Vatikan bereits ausdrücklich erklärt hat. Warum kümmert man sich nicht um eine fundierte und konsequente Glaubensunterrichtung? Warum kümmert man sich nicht darum, dass heute selbst viele Katholiken das Wesen eines Sakramentes nicht verstehen? Wo bleibt die vom Stellvertreter Christi, von Papst Franziskus von den Katholiken in Deutschland eingeforderte Neuevangelisierung?

Warum lebt und redet man so, dass man damit selbst den Glauben und die Lehre in Frage stellt?

Wie sollen Menschen einen Glauben annehmen oder leben, den selbst Priester oft erkennbar nicht haben, ihn relativieren und nicht als „die Wahrheit“ verkünden? Ich wünsche mir Seelsorger, die den Menschen klar verkünden, was das Evangelium und was daraus die Lehre ist und nicht abschließend sagen: „Aber ich bin nicht sicher, ob das so richtig ist. Es könnte auch anders sein.“ Soll man solchen Menschen vertrauen? Menschen, die von ihrem eigenen Glauben, ihrer „Wahrheit“ nicht überzeugt sind?

Ich wünsche mir Hirten, die die „Herde“ führen, weil sie erkenn- und erlebbar überzeugt davon sind, dass ihnen von Jesus Christus in der Kirche und in der Lehre der Kirche der richtige Weg in den Himmel, der Weg zu Gott gezeigt wurde. Alles andere erweckt den Eindruck einer narzisstischen Kulissenschieberei, eines Schauspiels und einer Beschäftigungstherapie zum Übertünchen der Inhaltsleere und des Glaubensmangels der „Profis“ des Amtskirchen- und Gremienkatholizismus. Aber irgendwie scheint die Kirchensteuer verbraten werden zu müssen, um sich wenigstens so einen Lebenssinn zu geben und sich spüren zu können. Es steht zu befürchten, dass der Herbst die derzeit passendste Jahreszeit zur Darstellung des Zustandes der Kirche in Deutschland ist.


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